dwif-Kultur- und Freizeitmonitoring schließt Lücken in der Kulturstatistik
Kultureinrichtungen sind wichtige Ziele für den Tourismus und ziehen sowohl Einheimische als auch Gäste an. Offizielle Statistiken liefern hierzu kaum Daten, weshalb unser dwif-Kultur- und Freizeitmonitoring seit über 20 Jahren Besucherzahlen von rund 400 Kulturangeboten in zehn Bundesländern erfasst. Diese Daten ermöglichen Analysen und Vergleiche.
Für das "KMN Magazin 180: Kulturstatistik" haben unsere Kolleg*innen Michael Deckert und Anja Schröder einen Gastbeitrag mit aktuellen Trends und Entwicklungen verfasst, den Sie hier nachlesen können.

Kulturangebote spielen als attraktive Ziele für Ausflüge vom Wohn- oder Urlaubsort eine elementare Rolle für den Tourismus. Herausragende, überregional ausstrahlende Einrichtungen und Angebote können sogar einen eigenen Anlass für mehrtägige Übernachtungsreisen schaffen. Gleichzeitig bilden Übernachtungs- und Tagesgäste neben der einheimischen Bevölkerung eine wichtige (und oft noch unterschätzte) Besucher*innengruppe für Kultureinrichtungen. Zur Wettbewerbssituation und dem Markterfolg liefert die amtliche Statistik jedoch keine Daten.
Diese Lücke schließt seit über 20 Jahren unser Kultur- und Freizeitmonitoring in aktuell zehn Bundesländern. Rund 700 Teilnehmer*innen, darunter über 400 Kulturangebote wie Museen, Ausstellungen, Denkmäler, Kirchen, Schlösser, Burgen, Besucherbergwerke, Stadtführungen und Freilichtmuseen liefern uns hierfür monatlich ihre Besucher*innenzahlen zu. Sie bilden die Grundlage für die Berechnung eines Nachfrageindikators, tragen zur Beurteilung des aktuellen „Klimas“ in der Kultur- und Freizeitwirtschaft bei und schaffen Vergleichsmöglichkeiten. 2023 begrüßten die am Monitoring teilnehmenden Kultureinrichtungen rund 20 Millionen Besucher*innen. Bei diesem Monitoring handelt es sich nicht um eine Vollerhebung, sondern um einen Ausschnitt aus den Kulturangeboten in den teilnehmenden Bundesländern. Die Darstellung absoluter Zahlen ist daher wenig aussagekräftig, so dass der Fokus auf Veränderungsraten der Besucher*innenzahlen liegt.
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Was können wir besser machen?
Wie entwickeln wir uns weiter?
Wie geht es der Freizeitwirtschaft in Deutschland insgesamt?
Welche Trends und Entwicklungen zeichnen sich aktuell in der Freizeitwirtschaft ab?
Rahmenbedingungen für die Besucher*innen-Entwicklung 2023: Wieder im „Normalmodus“
Nach drei Jahren mit teils starken pandemiebedingten Reglementierungen oder Komplettschließungen war 2023 für die Kultureinrichtungen das erste durchgängige Normaljahr. Die Einrichtungen konnten das ganze Jahr über öffnen, und auch Veranstaltungen waren wieder mit mehr Planungssicherheit und ohne besondere Vorkehrungen möglich. Doch die Rahmenbedingungen bleiben anspruchsvoll. Denn einerseits hat mit der Rückkehr zur Normalität der (globale) Wettbewerb wieder deutlich zugenommen. Und andererseits wirken sich Inflation und Konsumzurückhaltung auf das Besuchs- und Reiseverhalten aus.
Positive Entwicklung gegenüber dem Vorjahr, Aufholbedarf gegenüber 2019
Unsere Daten zeigen: Die Besucher*innenzahlen in den von uns erfassten Kultureinrichtungen sind 2023 gegenüber dem Vorjahr um 11,4 Prozent gestiegen und entwickelten sich damit dynamischer als in den Freizeit- und Erlebniseinrichtungen (+5,5 Prozent) wie z. B. Zoos und Tierparks, Erlebnisbädern und Thermen, Freizeitparks oder Landschaftsattraktionen. Trotz dieser im Vergleich positiven Entwicklung erreichten die Kultureinrichtungen erst rund 91 Prozent ihres Vor-Pandemie-Niveaus. Freizeit- und Erlebniseinrichtungen lagen dagegen bereits wieder bei rund 95 Prozent. Ein Blick auf die unterschiedlichen Einrichtungstypen offenbart nach wie vor große Unterschiede, die noch immer mit den pandemiebedingten Einbrüchen in den Jahren 2020 und 2021 zusammenhängen.
Abb: Besucher*innenzahlen von Kulturangeboten 2019 bis 2023, Index 2019 = 100
Quelle: dwif 2024, Daten dwif-Kultur- und Freizeitmonitoring
- Freilichtmuseen und Besucherbergwerke schwimmen seit einiger Zeit auf der Erfolgswelle und sind die Kultureinrichtungen mit der positivsten Entwicklung in den letzten Jahren. Das Angebot an der frischen Luft führte dazu, dass die Einbrüche 2020 und 2021 geringer ausfielen als in anderen Kultureinrichtungstypen. 2023 übertrafen Freilichtmuseen und Besucherbergwerke ihr Besucher*innenniveau des Jahres 2019 um 5,7 Prozent. Dass es sich hierbei nicht nur um Einzelerfolge handelt, zeigt sich daran, dass bereits knapp 60 Prozent der am Monitoring teilnehmenden Einrichtungen höhere Besucher*innenzahlen als 2019 verzeichnen konnten.
- Die Besucher*innenzahlen in den Burgen und Schlössern stiegen 2023 um rund ein Zehntel. In den Monaten Juni und Juli sowie Oktober und November verfehlten sie zwar das Vorjahresergebnis. Dagegen befanden sie sich in allen anderen Monaten zumeist zweistellig im Plus. Im Vergleich mit dem Jahr 2019 verzeichneten sie noch knapp 7 Prozent weniger Besucher*innen. Damit liegen die Burgen und Schlösser über dem Durchschnitt aller Kultureinrichtungen. Auch hier finden sich häufig Teile des Angebots im Outdoor-Bereich, was den Einrichtungen in den Vorjahren zugutekam.
- In den Museen und Ausstellungen konnten die Besucher*innenzahlen gegenüber dem Vorjahr um 12,8 Prozent gesteigert werden. Lediglich im Juni und im September lagen sie unter dem Vorjahresniveau. Über 80 Prozent der Einrichtungen vermeldeten Zuwächse. Der Vergleich mit dem Jahr 2019 zeigt jedoch, dass hier noch Luft nach oben ist, da gegenüber dem Vor-Pandemie-Niveau noch jede*r zehnte Besucher*in fehlte.
- Die Entwicklung bei den Stadtführungen bleibt weiterhin ambivalent. Die Anbieter*innen, die in den Vorjahren am stärksten von den Einschränkungen betroffen waren, kompensierten 2023 weitere Verluste und steigerten die Zahl der Teilnehmenden um rund ein Fünftel gegenüber 2022. In allen Monaten wurden höhere Zahlen als im Vorjahr gemeldet, und etwas mehr als acht von zehn Anbietenden waren gegenüber 2022 im Plus. Allerdings blieben die Teilnehmendenzahlen an den Stadtführungen trotz deutlicher Dynamik im Städtetourismus nach wie vor knapp ein Fünftel unter denen des Jahres 2019. Gerade einmal jeder zehnte Anbietende übertraf das Niveau von 2019 wieder. Hier ersetzen inzwischen digitale Angebote vielerorts einen Teil der klassischen Führungen.
Kultur Management Network Magazin Nr. 180: Kulturstatistik
In der aktuellen Ausgabe 180 des KMN Magazins finden Sie ab Seite 77 unseren Artikel:
dwif-Kultur- und Freizeitmonitoring schließt Lücken in der Kulturstatistik.
Besucherstarke Einrichtungen entwickeln sich dynamischer
Unser Kultur- und Freizeitmonitoring ermöglicht zudem Auswertungen nach Besucher*innengrößenklassen. Auch hier werden bei der Entwicklung in den letzten Jahren Unterschiede sichtbar: Die großen Kultureinrichtungen mit mehr als 200.000 Besucher*innen pro Jahr zeigten sich deutlich dynamischer als kleinere Einrichtungen. Sie erreichten bereits 97 Prozent ihres Vor-Pandemie-Niveaus. Zumeist verfügen sie über größere Marketingbudgets, einen höheren Bekanntheitsgrad sowie allgemein mehr finanzielle Ressourcen. Damit bieten sich diesen Kultureinrichtungen im Vergleich mehr Möglichkeiten, sich auf wandelnde Gästebedürfnisse flexibel einzustellen, marktgerechte Angebote zu konzipieren und zu bewerben.
Deutliche regionale Unterschiede
Auch der Blick auf die einzelnen Regionen offenbart deutliche Unterschiede. Zwar konnten gegenüber 2022 in allen zehn am Monitoring teilnehmenden Bundesländern die Besucher*innenzahlen gesteigert werden. Betrachtet man jedoch die Entwicklung im Vergleich zum Jahr 2019, zeigt sich: Nordrhein-Westfalen ist das einzige unter den erfassten Bundesländern, in dem die Besucher*innenzahlen gegenüber 2019 Zuwächse erzielen konnten (+2,7 Prozent). Die Museen und Ausstellungen bildeten hier das Zugpferd der Entwicklung und übertrafen das Vor-Pandemie-Niveau um 11,5 Prozent. Vergleichsweise moderat waren die Rückgänge in Schleswig-Holstein (-2,3 Prozent) und Rheinland-Pfalz (-4,7 Prozent). In Schleswig-Holstein entwickelten sich gerade Burgen und Schlösser sowie die Freilichtmuseen besonders dynamisch und kompensierten die Rückgänge in anderen Bereichen. Hierzu trugen auch Investitionen in neue Ausstellungskonzepte bei.
In den ostdeutschen Bundesländern, in Niedersachsen sowie im Saarland verzeichneten die Kultureinrichtungen Rückgänge zwischen acht und 19 Prozent. Während die Freilichtmuseen auch in diesen Bundesländern zumeist gut abschnitten, lagen die Verluste bei den Museen und Ausstellungen sowie bei den Stadtführungen hier deutlich über dem Durchschnitt. Im Museumsbereich fehlte häufig noch rund jede*r fünfte Besucher*in gegenüber 2019.
Erste Entwicklungen 2024 – Kultureinrichtungen weiter im Aufwind
Für das erste Halbjahr 2024 zeigen die bisher vorliegenden Daten zur Entwicklung der Besucher*innenzahlen, dass die Kultureinrichtungen weiter im Aufwind sind. Sie konnten 5,5 Prozent mehr Besucher*innen als im Vorjahreszeitraum begrüßen. Mit +7,5 Prozent zeigten sich die Museen und Ausstellungen dabei besonders dynamisch. Die Zahl der Teilnehmenden an Stadtführungen stieg um 6,0 Prozent. Lediglich die Freilichtmuseen und Besucherbergwerke, eine in den letzten Jahren besonders erfolgreiche Kategorie, verfehlten ihr Vorjahresergebnis (-6,5 Prozent).
Preisentwicklung im Kulturbereich
Seit 2014 haben wir über unser dwif-Netzwerk aus Kultur- und Freizeiteinrichtungen zudem ein regelmäßiges und vergleichbares Monitoringsystem zur Entwicklung der Eintrittspreise in der Kultur- und Freizeitwirtschaft aufgesetzt. Über die unterschiedlichen Preisstrukturen in den einzelnen Kategorien können die Einrichtungen Zusammenhänge, Unterschiede und Hinweise rund um das Thema Preisentwicklung und ihr eigenes Handeln ableiten, beispielsweise in Bezug auf eigenes Investitionsverhalten und Besucher*innenentwicklung.
Unsere Daten belegen: Auch 2024 sind die Eintrittspreise in den Kultureinrichtungen weiter gestiegen, allerdings weniger stark als im Vorjahr. In allen am Monitoring teilnehmenden Bundesländern verteuerten sich die Tickets im Frühjahr 2024 um 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gegenüber dem Frühjahr 2019 lagen die Eintrittspreise um mehr als ein Viertel höher. Die Steigerungsrate von 2023 auf 2024 übertraf damit weiterhin die der Jahre 2020 bis 2022, in denen sie im Mittel bei 3,8 Prozent lag. Freilichtmuseen und Besucherbergwerke (+8,3 Prozent) erhöhten ihre Preise 2023 am stärksten. Auch Museen und Ausstellungen bewegten sich über dem Durchschnitt (+6,9 Prozent). Damit liegt die Teuerungsrate bei den Kultureinrichtungen erneut über der des deutschlandweiten Verbraucherpreisindexes für Freizeit, Unterhaltung und Kultur im gleichen Zeitraum (+2,7 Prozent).
Mit gezielter Angebotsentwicklung, Marketing und Kooperation zum Erfolg
Die vorliegenden Daten geben nicht nur Auskunft zum Markterfolg von Kultureinrichtungen. Sie ermöglichen auch eine Einordnung der eigenen Entwicklung im Wettbewerbsumfeld und zeigen Unterschiede zwischen einzelnen Einrichtungskategorien, Größenklassen und Bundesländern auf. Deutlich wird: Die Steigerung der Besucher*innenzahlen und sogar das Erreichen des vorpandemischen Niveaus sind nicht selbstverständlich. Angesichts der anspruchsvollen Rahmenbedingungen sind zunehmend Anstrengungen in der Angebotsentwicklung und im Marketing gefragt, um Besucher*innen zu gewinnen, neue Gästegruppen zu erschließen und sie zu Wiederholungsbesuchen zu animieren. Tourist*innen, und dazu zählen auch Tagesausflügler*innen aus der Umgebung, bergen dabei ein vielfach noch zu wenig genutztes Potenzial.
Erfolgreiche Kultureinrichtungen punkten mit neuen und interaktiven Konzepten, Sonderausstellungen und Veranstaltungen. Zudem investieren sie in die Qualität ihrer bestehenden Angebote. Entscheidend ist hier, die Zielgruppen zu definieren und ihre Bedürfnisse zu kennen, um passgenaue Angebote zu schaffen und sie zielgerichtet zu vermarkten. In der Praxis zeigt sich häufig, dass die Zusammenarbeit von Kultur und Tourismus noch deutliche Potenziale hat. Mit der Bündelung ihrer jeweiligen Kernkompetenzen und Ressourcen können sie gemeinsam den Kulturtourismus zum Erfolg bringen. Daten wie das hier dargestellte Besucher*innenmonitoring, aber auch Befragungen von (Nicht-)Besucher*innen und Mystery-Tests zur Qualitätssicherung unterstützen hier genauso wie der Dialog, ein gutes Netzwerk und eine abgestimmte strategische Herangehensweise der Kultur- und Tourismusakteur*innen.
Kulturtourismus: Dialog stärken
Sie möchten die kulturtouristischen Potenziale Ihrer Destination oder Ihrer Kultureinrichtung zielgerichtet erschließen? Ihr Ziel sind attraktive kulturtouristische Produkte für die passenden Zielgruppen? Sie wollen die Kulturanbietenden vor Ort stärker in Ihre touristischen Aktivitäten einbinden?
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