Schnee von gestern? Wintertourismus und Klimawandel
Die Woche vom Mittwoch, den 12. März bis Dienstag, 18. März 2025 stand in Bayern ganz im Zeichen der künftigen Herausforderungen für DMOs durch den Klimawandel. Erst war die Anhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus im Bayerischen Landtag zu den „Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Bayern“ auf Antrag der Grünen. Dann thematisierte das Bayerische Zentrum für Tourismus (BZT) in seinem ersten Jahresdialog den „Wintertourismus: Heute und Morgen“, bei dem der Klimawandel im übertragenen Sinne als Teilnehmer mit am Tisch saß.
Unsere Kollegin Dr. Andrea Möller hat die Termine mitverfolgt und gibt Einblicke in die wesentlichen Erkenntnisse sowie in unser Projekt „Touristische Gesamtkonzeption Oberwiesenthal und Fichtelbergregion“.

„Wer den Klimawandel leugnet, der lebt nicht in der Natur“
Dies stellte Josef Altmann als privater Liftbetreiber aus dem Bayerischen Wald, der seit 1989 seine Pisten auch aktiv beschneit, nüchtern bei der Landtagsanhörung fest. Und während es hier (siehe LinkedIn-Beitrag) um Bayern und Klimawandelanpassung während des ganzen Jahres ging, fokussierte sich der BZT-Dialog ganz eindeutig auf den Winter und seine Zukunft, dafür aber im gesamten Alpenraum und auch den deutschen Mittelgebirgen.
Wie war die aktuelle Wintersaison 2024/25?
Die Aussagen der Podiumsgäste von Südtirol über Bayern bis zum Sauerland zeichneten ein gemischtes Bild. Hinsichtlich des Wetters und insbesondere der Bedingungen für die künstliche Beschneiung waren sich die anwesenden Skigebietsbetreiber*innen einig: Es war ein Superwinter.
Ein früher Saisonstart dank kühler Temperaturen und erster Schneefälle im November, das Ausbleiben des typischen Weihnachtstauwetters sowie reichlich Sonnenschein an entscheidenden Feier-, Wochenend- und Ferientagen sorgten für ideale Bedingungen. Henrik Volpert, Vorstand der Deutschen Seilbahnen und Geschäftsführer der OK GmbH (Bergbahnen Oberstdorf), betonte den Erfolg der Saison und verwies auf ein enormes Plus bei den Seilbahngästen – je nach Bahn bis zu +40% gegenüber den Vorwintern.
Gleichzeitig kommen die Zuwächse in der Hotellerie laut Zuhörerin Sybille Wiedenmann (Allgäu Top Hotels) nicht im gleichen Maße an. Möglicherweise weichen Skiurlauber bereits in höhergelegene Skiregionen außerhalb Bayerns aus, während vor allem mehr Tagesgäste aufgrund der günstigen Bedingungen ins Allgäu kamen.
Während Touristen generell bei Reiseverhalten und Zielwahl als eher stabil gelten, konnte eine BZT-Befragung für Wintertouristen zeigen, dass diese gegenüber Schneeunsicherheit und ungünstigen Witterungsbedingungen sensibel reagieren: Jede*r zweite ist bereit, seine Wahldestination in Folge von klimabedingten Unsicherheiten zu substituieren.
Winterberg im Sauerland als Mittelgebirgsdestination verzeichnete insgesamt ein Minus gegenüber dem Vorwinter, unter anderem durch das Ausbleiben niederländischer Gäste (- 14%). Dies alles, obwohl Winterberg mittlerweile mit witterungsunabhängiger Schneeproduktion, Nachtskifahren und einem breiten Gesamtangebot alle Facetten des Winterurlaubs bereithält. Als einen Faktor vermutet Michaela Grötecke (Wirtschaftsförderung Winterberg) die ungünstige Presseberichterstattung über Staus und Parkplätze an den Top-Tagen, die viele Besucher*innen dauerhaft abgeschreckt haben könnte.
Transformationsstrategien und Handlungsbedarf
Besucherlenkung und alternative Mobilitätslösungen sind ein großes Zukunftsthema für die Qualitätssicherung im Wintertourismus – sowohl an Top-Tagen wie z.B. am Großen Arber im Bayerischen Wald, als auch für schneesichere Destinationen, die sich aufgrund der Klimaerwärmung künftig auf immer mehr Skitouristen einstellen müssen. Neben der Sicherstellung technologisch-infrastruktureller Maßnahmen, wie etwa (digitalisierter) Beschneiung, Pistenverlegung oder Wasserspeicherung, bleibt die zentrale Herausforderung dennoch der Umgang mit dem zunehmend „grüneren Winter“ sowie der in vielen Wintersportregionen absehbar notwendige Ausbau des Ganzjahrestourismus. Dies bedeutet einen anspruchsvollen und langwierigen Transformationsprozess, den Philipp Carradini vom EURAC Bozen aus den Erfahrungen des EU-Projektes BeyondSnow mit seinen verschiedenen strategischen Optionen beleuchtete.
Das Szenario „Festgefroren zwischen Gestern und Heute“ mit einem „Weiter so“ ist dabei keine Option, meint nicht nur Alfred Bauer vom BZT, der seine Szenarien für den Wintertourismus in die Diskussion einbrachte. Vielmehr werden sich Destinationen je nach ihren geografischen, klimatischen und strukturellen Voraussetzungen ihren individuellen Entwicklungspfad zwischen „kommerzialisierter Winterwelt“ und dem „neuen Winter“ mit professioneller Ökologisierung und neuen nachhaltigen Erlebnissen suchen. In Oberstdorf sind die unterschiedlichen Bergbahnen mit umfangreichen und geförderten Investitionen spezifisch positioniert worden, wie zum Beispiel der Familienberg Söllereck. Im benachbarten Kleinwalsertal werden zukünftig zu ähnlichem Zweck 200 Mio. € in den nächsten Jahren in die Hand genommen.
Wintertourismus ist und bleibt absehbar Einkommensquelle Nr. 1
Die Wertschöpfung pro Gast für die Region liegt nach ökonomischen Analysen bei ca. 6:1 je Bergbahngast. Bei den Seilbahnen selbst wird der Sommerbetrieb häufig durch den Wintergast quersubventioniert. Dabei gilt: Investitionen in Seilbahnen und Skigebiete sind heutzutage stets auch Investitionen in den Sommer – ein Beispiel dafür ist der neu geschaffene Bikepark im Arberskigebiet.
Destinationen müssen während ihres Anpassungs- und Transformationsprozesses zunehmend damit umgehen, dass Winter- und Sommersaison immer stärker miteinander verschmelzen. Während in schneesicheren Lagen noch bis in den Mai hinein Ski gefahren werden kann, ist das Wandern und Mountainbiken in tiefer gelegenen Tälern und Almen oft bereits während des Winters möglich. Technisch unterstützte frühe Ski-Openings oder Wintereinbrüche ermöglichen schon ab November den Start in den Wintersport.
Diese Gleichzeitigkeit verlangt neue Strategien und Formen der Kundenkommunikation!
Einblick in unsere Projekt „Touristische Gesamtkonzeption Oberwiesenthal und Fichtelbergregion“
Gemeinsam mit unserem Partner absolutGPS durften wir die Skidestination in Sachsen seit 2022 ein Stück weit auf ihrem Transformationsweg begleiten. Der Fichtelberg bildet gemeinsam mit seinem Pendant, dem Keilberg auf der tschechischen Seite, eine klassische Mittelgebirgs-Wintersportdestination. In einem breit aufgestellten Diskussionsprozess mit der DMO, vielen Leistungsträger*innen und engagierten Akteur*innen wurde deutlich, wie kräftezehrend der Umdenkprozess von der Winter- hin zur Ganzjahresdestination ist. Es zeigt sich, welche ökonomischen Verwerfungen damit verbunden sein können und wie wichtig es ist, möglichst viele lokale Akteur*innen hierbei mitzunehmen. Es gilt eine extrem kurze, jedoch stark wertschöpfende Wintersaison schrittweise durch die Stärkung des Tourismus im Sommer und der Nebensaison zumindest teilweise zu ergänzen oder zu ersetzen.
Am Fichtelberg entstand daraus sowohl ein klares Bekenntnis zur Wintersaison als auch zur Entwicklung einer attraktiven Ganzjahresdestination. Neue nachhaltige Aktivitätsangebote für das gesamte Jahr greifen dabei zukünftig eng mit dem etablierten Skisport am Berg ineinander. Auch die örtliche Bevölkerung soll verstärkt profitieren, um die Akzeptanz und Unterstützung für den Destinationswandel langfristig zu sichern.