Nachhaltige Mobilitätskonzepte werden zur Pflichtaufgabe im Tourismus. Die Frage ist nicht länger, ob nachhaltige Mobilitätskonzepte in Destinationen initiiert oder optimiert werden sollen, sondern es geht um das Wie.
Welche Fahrzeugtypen mit welcher Antriebstechnologie fahren 2030 durch Deutschland? Ändert sich das Nutzungsverhalten der Einheimischen und Reisenden? Wie lässt sich Verkehr vermeiden, ohne die Mobilität zu beschränken? Wie entwickelt sich der öffentliche Nahverkehr?
Angesichts der Klimaziele, die sich Deutschland, die Nachbarstaaten in Europa und Länder weltweit gesetzt haben, können diese Fragen nicht mehr regional begrenzt beantwortet werden: Es braucht ein integriertes Gesamtkonzept mit dem Ziel die Mobilität von morgen nachhaltig zu gestalten.
Und so werden nachhaltige Mobilitätskonzepte auch zur Pflichtaufgabe im Tourismus. Die Frage ist also nicht, ob nachhaltige Mobilitätskonzepte in Destinationen initiiert oder optimiert werden sollen, sondern es geht um das Wie. Nachhaltige Mobilität erhöht die Gesamtattraktivität in Destinationen, sie ist förderlich für eine zukunftsgerechte Entwicklung der touristischen Nachfrage und wird künftig immer stärker von Gästen erwartet
Die Fortbewegung von A nach B ist von jeher ein zentraler Bestandteil des Tourismus, doch heute gehört Reisen zu den individuellen Grundbedürfnissen. Angesichts des aktuellen gesellschaftlichen Wandels, umweltpolitischer Herausforderungen, steigender Gästezahlen, geringerer Aufenthaltsdauern, immer mehr und immer weiter entfernterer Reiseziele und neuer Mobilitätsanbieter muss touristische Mobilität jedoch unter anderen Vorzeichen diskutiert werden.
Fakt ist: Touristische Verkehre im Deutschlandtourismus (umfasst Inlands- und Auslandsreisen der Deutschen mit und ohne Übernachtung sowie den Reiseverkehr ausländischer Gäste nach Deutschland) sind für drei Viertel der durch den Tourismus induzierten CO2-Emissionen verantwortlich (Quelle: UNEP/ UNWTO 2008).
Gesellschaftliche und strukturelle Rahmenbedingungen auf der einen Seite, Verhaltensweisen der unterschiedlichen Mobilitätsnutzer*innen und etablierte Verkehrsstrukturen auf der anderen, beeinflussen die Entwicklung nachhaltiger Mobilität.
Interessant in diesem Zusammenhang: Das Mobilitätsverhalten der Deutschen unterscheidet sich stark nach urbanen und peripheren Räumen. Während in Berlin bereits mehr als 40 Prozent der Haushalte kein Auto besitzen, ist der PKW in ländlichen Regionen kaum wegzudenken: Neun von zehn Haushalten besitzen hier ein eigenes Fahrzeug.
Aber auch im touristischen Kontext ändert sich das Mobilitätsverhalten nur langsam und vor allem nach Zielräumen unterschiedlich. Insbesondere in ländlichen Räumen dominiert bei der Urlaubsanreise der PKW – dort reisen 79 Prozent mit dem eigenen Fahrzeug an – bei Tagesreisenden sogar über 80 Prozent (Quelle: Gästebefragung Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus).
So ist mangels Alternativen und aufgrund der eigenen Bequemlichkeit, der Modal Split im Deutschlandtourismus also noch immer in hohem Maße vom motorisierten Individualverkehr (MIV) geprägt. Mehr Bewegung zeigt sich dagegen in den Städten. Denn in urbanen Räumen wählen weniger als die Hälfte der Gäste das eigene Fahrzeug für An- und Abreise. Am Urlaubsort treffen somit die unterschiedlichsten Wünsche und Anforderungen in punkto Mobilität aufeinander.
Die Hauptargumente gegen eine Anreise mit Bus oder Bahn sind die mangelnde Bequemlichkeit für die Gäste z.B. durch häufiges Umsteigen, schwierigen Gepäcktransport, aufwändiges Buchen und die unzureichende Flexibilität des ÖPNV mit Wartezeiten, Lage von Ausstiegsstellen, Verbindungszeiten, Streckenführung etc.
Vor allem für ländliche Destinationen besteht hier Handlungsbedarf, denn urbane, sich multimodal bewegende Nutzer*innen sind eine wachsende Zielgruppe auch für ländliche Regionen. Und sie stellen hohe Anforderungen an eine funktionierende und bequeme Mobilität. Mobilität nachhaltig zu gestalten, entwickelt sich also zu einer festen Aufgabe im Destinationsmanagement.
Die Destinationen sind mehr denn je gefragt, Lösungen sowohl für die nachhaltige An- und Abreise als auch die Mobilität vor Ort zu finden, denn eine Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn beides ineinandergreift. Darüber hinaus gilt es, die eigene Positionierung und Glaubwürdigkeit beim Thema Mobilität zu definieren und sich langfristig und ernsthaft zu engagieren.
Technologische InnovationsfelderDie multimodale Mobilität wird durch neue Mobilitätsdienstleistungen, Sharing-Dienste, die Vernetzung von Verkehrsangeboten und die Automatisierung von Fahrzeugen bis hin zum vollautonomen Fahren vorangetrieben. |
Alternative Kraftstoffe für nachhaltige EnergiebilanzenUm den Verkehrssektor unabhängiger von fossilen Kraftstoffen zu machen, arbeitet man weltweit an Forschungsstandorten an Lösungen wie etwa synthetischen Kraftstoffen, Wasserstoff etc. |
Vernetzung von E-Fahrzeugen & Nutzer*innenNeben der Vermeidung und Verlagerung von konventionell motorisiertem Verkehr auf alternative Mobilitätsformen kommt es auch darauf an, vorhandene und neue Verkehrsmittel effektiver zu nutzen. Soziale und technische Innovationen wie z.B. das Carsharing tragen dazu bei, negative Auswirkungen zu reduzieren, wenig Nachgefragtes attraktiver zu machen und Lösungen für neue Probleme zu entwickeln. |
Digitale Transformation & neue PlayerDigitale Transformation und technologischer Fortschritt verändern die Welt der Fortbewegung und vor allem die Marktstrukturen rasant. Neue Mobilitätsanbieter von Online-Taxi- und Shuttlediensten sowie Fernbussen über den E-Scooter bis hin zum Lufttaxi drängen auf den Markt. Sie können perspektivisch mit ihren Mobilitätsbausteinen auch in die touristische Produktentwicklung integriert werden. |
Gerade in ländlichen Räumen wird das öffentliche Verkehrsnetz allerdings immer noch eher rück- als ausgebaut. Anders als in städtischen Ballungsgebieten fehlt oft die ausreichende Grundauslastung durch die einheimische Bevölkerung jenseits des Schülerverkehrs.
Die öffentlichen Verkehrsmittel stellen deshalb bislang nur in begrenztem Maße eine Alternative zum Individualverkehr dar. Und nur bei entsprechend attraktiven, auf touristische Bedürfnisse ausgerichteten Angeboten wird es zu einer intensiveren Nutzung durch Gäste und Ausflügler kommen. Diese führt aber bereits heute schon nachweislich in Urlaubsregionen zu einem schrittweise erweiterten Streckennetz, dichteren Taktungen und erhält damit vor allem auch ÖPNV-Verbindungen und Angebote für die einheimische Bevölkerung.
Eine zentrale Herausforderung für den Erfolg von Mobilitätskonzepten stellt die sogenannte „letzte Meile" dar, also die Überwindung der verbleibenden Strecke vom regionalen Bahnhof, vom Flughafen, vom Busterminal etc. als „Entry Point" in die Destination bis zum tatsächlichen Reiseziel (z. B. Hotel oder Ausflugsziel). Die letzte Meile ist häufig der „Flaschenhals“ für nachhaltige Mobilitätslösungen im Tourismus.
Denn wenn die Überwindung der letzten Meile nicht entsprechend der Gästebedürfnisse unkompliziert und sicher gewährleistet werden kann, fällt die Wahl in der Regel auf den Pkw. Durch eine nachfragegerechte Attraktivitätssteigerung beim ÖPNV und intelligente Mobilitätskonzepte, die den Zugang zum umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehr erleichtern, können dementsprechend Umweltbelastungen reduziert werden.
Nachhaltige Mobilität umzusetzen, gestaltet sich also komplex. Eine Orientierungshilfe, um den Handlungsbedarf zu identifizieren und zu systematisieren, bietet unser dwif-Mobilitätsradar mit seinen insgesamt zehn Handlungsfeldern.
Diese reichen von Kooperationsstrukturen, An- und Abreise, Vor-Ort-Mobilität und Gästelenkung über Technologietreiber, Produktentwicklung, Klimaschutz und den Bedürfnissen der Einheimischen bis zur Finanzierung touristischer Mobilitätsangebote sowie deren Erfolgskontrolle.
Attraktive kundenorientierte Angebote für den öffentlichen Verkehr entlang der gesamten Mobilitätskette sind eine Voraussetzung für zukunftsweisende Lösungen. Allerdings gilt: Allein attraktive ÖPNV-Angebote zu schaffen reicht nicht aus, um ein Umdenken beim PKW-dominierten Mobilitätsverhalten zu erreichen. Gilt der PKW doch immer noch häufig als bequemer und flexibler.
Denn viele Beispiele aus der Praxis und der Verkehrsplanung zeigen: Es geht auch darum, durch höhere Parkgebühren oder eine Parkraumverknappung Druck auszuüben, um Autoverkehr zu reduzieren bzw. zu lenken. Dabei ist die richtige Mischung zwischen den die Autoanreise erschwerenden Maßnahmen (PUSH) und den notwendigen Angebotsverbesserungen und das zeitliche Aufeinander abstimmen (PULL) der Schlüssel zum Erfolg.
Bei der Produktentwicklung rund um nachhaltige Mobilität sollte also das Credo „ÖPNV First“ immer mitgedacht und entsprechende Mobilitätsbausteine entwickelt werden. Neben der reinen Erreichbarkeit lässt sich darüber hinaus oft ein Mehrwert herausstellen, den solche smart konzipierten Produkte haben. Das Unterwegssein kann auch vom puren Mittel zur Entfernungsüberwindung zum Reisezweck und Erlebnisbaustein werden.
Dies gilt es konsequent zu kommunizieren: Ein Beispiel sind Rundtouren mit unterschiedlichem Start- und Zielort. Kür für Destinationen ist die Entwicklung von Produkten, die mit Mobilität einen eigenen Erlebniswert wie zum Beispiel eine Cabrio-Seilbahn mit 360 Grad-Panorama oder spektakuläre Talbrücken für Fußgänger und Radfahrer schaffen. Auch mobilitätsbezogene Services können die bloße Entfernungsüberwindung anreichern, Stichwort Lunchpakt im Wanderbus, WLAN in Bahn und Bus, Service am Platz, Radtransport etc.
Das Thema fahrscheinloser Nahverkehr, bei dem die ÖPNV-Leistung in Gästekarten ohne erkennbare Mehrkosten für den Gast integriert sind, gewinnt für die Destinationen immer mehr an Bedeutung.
Tourismusorganisationen sind gut beraten, rechtzeitig gemeinsam mit Verkehrsunternehmen, den Kommunen, den Beherbergungsbetrieben und weiteren Partnern Konzepte & Strategien zu diskutieren und entsprechende bedarfsgerechte Angebote zu entwickeln.
Nachhaltige Mobilität ist also geprägt von strukturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und unterliegt einer aktuell starken Entwicklungsdynamik. Gelerntes Verhalten verändert sich, und neue Anbieter, Konzepte und Trends prägen das Mobilitätsverhalten der nahen Zukunft neu.
Die Themen Mobilität und Tourismus sind dabei untrennbar miteinander verwoben. Konkrete Herausforderungen und wichtige Stellschrauben für Destinationen haben wir in unseren acht Prinzipien für Mobilität und Tourismus zusammengefasst:
Wir freuen uns sehr über das Sparkassen-Tourismusbarometer 2019! Spannende Fakten rund um den Tourismus in Ostdeutschland und das Thema Mobilität.
Um praxisnahe Erkenntnisse zu gewinnen und den Erfahrungsaustausch zu unterstützen, ist das Sparkassen-Tourismusbarometer 2019 einen neuen Weg gegangen: In fünf Modellregionen wurden Lösungen und Herausforderungen rund um die Handlungsfelder des dwif-Mobilitätsradars aufgespürt.
Mit unserer dwif-Zukunftswerkstatt "Nachhaltige Mobilität" bringen Sie alle relevanten Stakeholder in Ihrer Destination ins Gespräch. Wir schaffen für Sie den Rahmen. Sie erhalten im Ergebnis einen „Mobilitäts-Fahrplan“ Ihrer spezifischen Handlungsfelder.